Cover
Titel
A History of Central Banking in Great Britain and the United States.


Autor(en)
Wood, John H.
Erschienen
Anzahl Seiten
xv, 439 S.
Preis
$ 34,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dieter Ziegler, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, Ruhr-Universität Bochum

Es dürfte kaum eine Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaft geben, deren Vertreter eine vergleichbar gute Kenntnis der Geschichte ihres Untersuchungsgegenstandes besitzen wie die Experten für Geld- und Währungspolitik. So konnte man nur mit Erstaunen konstatieren, dass die Entscheidungsträger in den Zentralbanken und Finanzministerien der (nicht nur westlichen) Welt während der Finanzmarktkrise des Jahres 2008 richtig – weil historisch informiert – reagiert haben. Tatsächlich sind die wichtigsten Arbeiten zur Geld- und Währungsgeschichte des 20. Jahrhunderts in den meisten Ländern auch nicht von Wirtschaftshistorikern, sondern von Ökonomen verfasst worden, darunter auch zahlreiche Praktiker aus den Zentralbanken.

Das gilt auch für dieses Buch und seinen Autor John H. Wood. Er ist kein Historiker, und vermutlich hat er auch noch nie ein historisches Archiv von innen gesehen. Doch kennt er die zeitgenössischen Debatten um das internationale Währungssystem und die Währungspolitik zahlreicher Staaten der Welt seit der Blütezeit des Keynesianismus in den sechziger Jahren wie kaum ein zweiter (lebender) Ökonom. Seine Geschichte der beiden wichtigsten Zentralbanken des 19. und 20. Jahrhunderts ist deswegen auch nicht als ein großes Geschichtswerk konzipiert, wie der Titel nahe legen könnte; deshalb ist dem Argumentationsfaden des Werks auch ohne Vorkenntnisse nicht einfach zu folgen. Es geht Wood vielmehr in erster Linie darum zu zeigen, dass die aktuelle Geldpolitik und das Währungssystem der (westlichen) Welt – jedenfalls so, wie sie sich zum Zeitpunkt der Abfassung des Werks dargestellt haben – die richtige Konsequenz aus der Geschichte sind: Der klassische Goldstandard des 19. Jahrhunderts konnte auf Dauer nicht funktionieren und der Versuch, ihn in den 1920er-Jahren zu restaurieren, endete fast zwangsläufig im Desaster. Das Währungssystem von Bretton Woods hat dann nur deswegen eine Zeitlang funktioniert, weil das Regelwerk ausreichend Schlupflöcher bot, wodurch das System zwar flexibilisiert, aber gleichzeitig auch unterlaufen werden konnte. Schließlich hat die Wirtschaftspolitik seit der endgültigen Abkehr vom Gold die Geldpolitik mit einer Vielzahl von Zielen – neben der Preisstabilität die Vollbeschäftigung, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht und ein stetiges Wirtschaftswachstum – einfach überfordert. Der Rückzug der Geldpolitik auf das Primärziel der Preisstabilität durch (von der jeweiligen Regierung weitgehend unabhängige) Zentralbanken ist damit die einzig logische Konsequenz aus rund 200 Jahren geldpolitischer Erfahrung. Für die anderen genannten Politikziele sind andere Institutionen als die Zentralbanken verantwortlich.

Durch diese Konzeption des Textes ist die Darstellung zwar etwas einseitig, aber insgesamt ist der Argumentationsgang durchaus überzeugend. In der hier vorliegenden Auflage stammt das Werk zwar aus dem Februar 2009, aber die Erfahrungen des Jahres 2008 sind noch nicht verarbeitet. Das kann man dem Autor sicherlich nicht zum Vorwurf machen. Aber gerade die Ereignisse des halben Jahres vor Erscheinen dieser Auflage machen noch einmal deutlich, was in der Darstellung fehlt. Wood geht es nur um die Währungsverfassung und die Geldpolitik. Letztere ist zweifellos eine Kernaufgabe jeder Zentralbank in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung. Fast ebenso wichtig ist aber auch ihre Rolle als "Bank der Banken". Diese häufig als "Lender of Last Resort"-Funktion bezeichnete Aufgabe spielt bei Wood nur unter den Bedingungen des klassischen Goldstandards eine erwähnenswerte Rolle, als in den 1860er- und 1870er-Jahren der Herausgeber des Economist Walter Bagehot und der Bank of England-Direktor Thomson Hankey darüber stritten, welche Verpflichtungen die Zentralbank gegenüber den Finanzmärkten besaß. In den Kapiteln zum 20. Jahrhundert wird die Frage dann nicht mehr erwähnt, geschweige denn diskutiert. Dabei hat durchaus nicht nur die aktuelle Krise gezeigt, dass die Finanzmärkte in ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet sind, wenn systemrelevante Elemente ausfallen. Auch die deutsche Bankenkrise 1931 war keineswegs nur eine Krise des Währungssystems. Dasselbe gilt für die Frage der Bankenaufsicht. In vielen Ländern ist auch dies eine Aufgabe der Zentralnotenbank und in den USA wird gerade heftig darüber gestritten, ob die Fed in dieser Beziehung mehr Rechte bekommen soll oder nicht. Über die Bankenaufsicht als "Schwester" der "Lender of Last Resort"-Funktion erfahren wir bei Wood überhaupt nichts. Das war allerdings zu den Zeiten eines Walter Bagehot auch noch kein Thema.

Noch etwas ist kritisch anzumerken. Die vorliegende Arbeit soll die Geschichte der Bank of England und des Federal Reserve System (sowie seiner Vorläufer) behandeln. Ohne Zweifel handelt es sich dabei jeweils um den Nabel des Weltwährungssystems des 19. Jahrhunderts (Bank of England) und des 20. Jahrhunderts (Federal Reserve System). Aber gerade deswegen kann eine solche Geschichte nicht weitgehend ohne Bezug auf den Rest der Welt geschrieben werden. Das gilt bereits für das 19. Jahrhundert. So sollte man zum Verständnis der Aufhebung der Metalldeckung in England im Jahr 1797 jedenfalls einige Hinweise zur französischen Assignateninflation, der Währungsstabilisierung durch die Einführung des Franc und die Gründung der Banque de France erwarten. Später hätte der Leser gern auch etwas über die Bi-Metallismus-Debatte vor dem Erfahrungshintergrund der Lateinischen Münzunion erfahren.

Erst recht betrifft dieser Einwand das 20. Jahrhundert, wo etwa das Problem der internationalen Verschuldung nach dem Ersten Weltkrieg nur aus der US-Perspektive (mit Großbritannien als Schuldner) thematisiert wird. Die damit zusammenhängende Reparationsfrage und folglich auch die Hyperinflationen in Mitteleuropa zu Beginn der zwanziger Jahre kommen bestenfalls am Rande vor. Dasselbe gilt für die schwedische und die japanische Bankenkrise der 1990er-Jahre. Im Register werden entsprechend die schwedische Riksbank nur einmal, die Banque de France, die Bank of Japan und die Reichsbank/Bundesbank überhaupt nicht erwähnt. Die einzige Zentralbank, deren Politik neben derjenigen der Bank of England und der Fed im Text etwas ausführlicher gewürdigt wird, ist die Reservebank of New Zealand. Im Rahmen von Woods Argumentation ist das neuseeländische Beispiel eines Policy Targets Agreement zur Sicherstellung der Preisstabilität aus dem Jahr 1990 auch zweifellos wichtig. Aber liegt man gänzlich falsch, wenn man vermutet, dass die Tatsache, dass in Neuseeland Englisch gesprochen und geschrieben wird – und nicht französisch, schwedisch, japanisch oder deutsch – auch ein Grund für dieses Privileg ist?

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